Brüsseler Platz – die Stadt Köln kann sich nicht mehr drücken …

… und hat wieder einmal sinnlos Geld für einen Rechtsstreit verpulvert.

Die Stadt Köln muss, auch wenn sie mehr Mitarbeiter im Ordnungsdienst einsetzen muss, dafür sorgen, dass am Brüsseler Platz die Lärmrichtwerte eingehalten werden, so das Bundesverwaltungsgericht in einer aktuellen Entscheidung.

Seit Jahren streiten sich die Stadt Köln und Anwohner um die Zustände am Brüsseler Platz.

Auf Klagen von Anwohnern hin hat das Verwaltungsgericht Köln schon 2018 entschieden, dass die Stadt Köln tätig werden muss.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Stadt Köln war beim Oberverwaltungsgericht Münster erfolglos, worüber wir hier berichtet haben.

Das Oberverwaltungsgericht hatte insbesondere ausgeführt:

Die Beklagte [die Stadt Köln] wird verurteilt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass nachts (22.00 bis 06.00 Uhr) keine die einschlägigen Lärmschutzvorschriften überschreitenden Geräuscheinwirkungen an der Wohnung der Kläger entstehen.

Da das Oberverwaltungsgericht Münster die Revision nicht zugelassen hatte, legte die Stadt Köln dann tatsächlich Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Damit ist sie nun – erwartungsgemäß – auf die Nase gefallen.

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nämlich unbegründet.

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen.

Daran fehlt es hier nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts.

Auch, wenn Zurückweisungen von Nichtzulassungsbeschwerden für den Laien immer hart formuliert scheinen, so handelt es sich hier schlicht und ergreifend um eine Klatsche für die Stadt Köln. Wir zitieren daher hier einfach nur aus der Entscheidung:

Die in den Gliederungspunkten 1. bis 5. der Beschwerdeschrift formulierten Rechtsfragen sind sämtlich nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie sind nicht entscheidungserheblich. Denn das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch der Kläger selbstständig tragend auf zwei Begründungsstränge gestützt. So ergebe sich der Anspruch einerseits aus dem öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch und andererseits aus der grundrechtlichen Schutzverpflichtung nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG. Die hier angesprochenen Fragen befassen sich allein mit dem öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch. Entscheidungserheblich können diese daher nur sein, wenn zugleich auch bezüglich des zweiten Begründungsstrangs Revisionszulassungsgründe vorliegen und geltend gemacht werden1, was nicht der Fall ist.

Den weiter aufgeworfenen Fragen,

Wie ist die Sozialadäquanz von Geräuschen angesichts geänderten Freizeitverhaltens einer Vielzahl von Menschen zu beurteilen? Ist dem geänderten Freizeitverhalten hierbei angemessen Rechnung zu tragen?„,

kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu. Den Fragen mangelt es schon an der erforderlichen Konkretheit. Ihre Beantwortung erforderte differenzierende Ausführungen zu einer Vielzahl von Fallgestaltungen im Stil eines Kommentars oder Lehrbuchs. Dies ist jedoch nicht Ziel eines Revisionsverfahrens2. Die Fragen lassen sich zudem auch deshalb nicht in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren beantworten, weil nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts die Bewertung der Zumutbarkeit der durch menschliche Kommunikation verursachten Geräuschimmissionen eine situationsbezogene Abwägung der Umstände des Einzelfalls erfordert.

Grundsätzliche Bedeutung haben auch nicht die folgenden, im Zusammenhang aufgeworfenen Fragen:

Ist die Grenze der Gesundheitsgefahr bei Emissionen, die durch die bestimmungsgemäße Nutzung eines dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Platzes entstehen, nachts bei 60 dB(A) gegeben? Ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Wert von 60 dB(A) schon durch das grundrechtlich geschützte ’normale‘ kommunikative Verhalten der Besucher eines Platzes überschritten wird und dass Lärmspitzen durch ordnungswidriges Verhalten (Grölen, Schreien, Abspielen von Musik, Glasbruch) von Nutzern des Platzes entstehen?

Die Fragen sind bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach wird die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle für Wohngebiete grundsätzlich erst bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts angenommen3. Soweit der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts erwogen hat, noch niedrigere Werte für angemessen zu halten4, kann dies nicht entscheidungserheblich sein, weil dann erst Recht von deren Verletzung auszugehen ist. Ohne Bedeutung ist es insoweit, dass sich die Beschwerde darauf beruft, dass auf dem B. Platz allein mit der grundrechtlich geschützten menschlichen Kommunikation die genannten Grenzwerte bereits überschritten seien und diese somit nicht mehr an dem auch der Kommunikation gewidmeten öffentlichen Platz stattfinden könne. Dies verkennt, dass die genannte Rechtsprechung von einer absoluten, mithin unbedingten Lärmobergrenze zum Schutz der menschlichen Gesundheit und des Eigentums ausgeht. Auch in anderen Lärmkonflikten stehen die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 GG und aus Art. 14 Abs. 1 GG in Konflikt mit anderen Grundrechten; denn Lärmemissionen werden in aller Regel zumindest durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sein, was auch hier der Fall ist. Die Beschwerde verkennt zudem, dass mit den von der Beklagten verlangten Maßnahmen nicht jegliche menschliche Kommunikation am B. Platz unterbunden wird, sondern nur solche, die die genannten Grenzwerte überschreitet. Diese Überschreitung hängt aber maßgeblich auch von der ungewöhnlich hohen Anzahl von Personen ab, die sich derzeit nachts am B. Platz aufhalten.

Auch der Frage,

Müssen die Ordnungsbehörden bei ihrer Ermessensbetätigung, ob und inwieweit sie gegen gesundheitsgefährdende Überschreitungen von Lärmrichtwerten einschreiten, alle Handlungsmöglichkeiten vollständig erkannt und erwogen haben?„,

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Frage war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht grundsätzlich verlangt, dass bei ordnungsbehördlichem Einschreiten zum Schutz der Gesundheit alle Handlungsmöglichkeiten vollständig erkannt und erwogen sein müssen. Es hat dies lediglich als Fehlerquelle der konkreten Entscheidung benannt, weil die Beklagte weitere Maßnahmen zur Lärmreduzierung für nicht möglich und zumutbar gehalten und in der Folge sonstige Maßnahmen nicht erwogen habe.

Sind staatliche Stellen gehalten, zum Schutz der Grundrechte aktiv zu werden, so ist von ihnen grundsätzlich in eigener Verantwortung zu entscheiden, wie sie ihre Verpflichtung zu einem effektiven Schutz der Grundrechte erfüllen. Eine Verletzung der Schutzpflicht kann nur festgestellt werden, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen werden oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben5. Gegen diese Rechtssätze hat das Oberverwaltungsgericht nicht verstoßen. Es ist offenbar davon ausgegangen, dass angesichts der nach seinen tatsächlichen Feststellungen nachhaltig und deutlich überschrittenen Grenzwerte der Tatbestand der ungeeigneten und unzulänglichen Maßnahmen im Hinblick auf das bereits von der Beklagten Unternommene erfüllt sei. Da dies nach der zitierten Rechtsprechung zu einer Verletzung der Schutzpflicht führt, hat das Oberverwaltungsgericht nur in diesem Zusammenhang verlangt, dass die Beklagte die ihr zur Verfügung stehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, um ihren noch nicht erfüllten Verpflichtungen zur Lärmreduzierung nachzukommen. Die von der Beschwerde für grundsätzlich erachtete Rechtsfrage geht weit über diesen Zusammenhang hinaus.

Ebenso kommt der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Frage,

Gilt dies insbesondere auch für voraussichtlich nicht Erfolg versprechende oder möglicherweise mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht vereinbare Maßnahmen?„,

keine grundsätzliche Bedeutung zu. Das Oberverwaltungsgericht hat schon nicht verlangt, dass auch nicht Erfolg versprechende oder möglicherweise mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht vereinbare Maßnahmen erwogen werden. Im Übrigen ist die Frage als Unterfall der vorangegangenen formuliert, der ihrerseits keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schließlich ist auch die Frage,

Greift eine Verpflichtung der Beklagten, durch Einsatz des Ordnungsdienstes die Einhaltung eines Richtwertes von 60 dB(A) nachts ab 24.00 Uhr sowie eines Richtwertes von 45 dB(A) ab 22.00 Uhr zu gewährleisten in unverhältnismäßiger Weise in den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Personal- und Organisationshoheit als Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie ein?„,

nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Mit der Bezugnahme auf die konkrete Situation der Beklagten sowie dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit zielt die Frage erkennbar auf den Einzelfall und nicht auf eine rechtsgrundsätzliche Fragestellung.

Anmerkung:

Natürlich kann man sich immer fragen, was Anwohner, die in entsprechende Viertel ziehen, reitet, dass sie gegen die dort vorherrschenden Lärmbelästigungen klagen.

Andererseits stellt sich die Frage, warum die Stadt Köln richtig Geld ausgibt, um sich völlig vorhersehbar vom Bundesverwaltungsgericht bestätigen zu lassen, dass sie Unrecht hat.

  1. BVerwG, Beschluss vom 21.03.2024 – 7 B 13.23 []
  2. BVerwG, Beschluss vom 10.07.2024 – 10 B 8.24 []
  3. BVerwG, Urteile vom 19.12.2017 – 7 A 7.17 ; vom 24.08.2023 – 7 A 1.22 NVwZ 2024, 680; Beschluss vom 15.07.2022 – 7 B 16.21 []
  4. BVerwG, Beschluss vom 25.04.2018 – 9 A 16.16, DVBl 2018, 1426 []
  5. BVerfG, Urteile vom 10.01.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90, BVerfGE 92, 26; BVerwG, vom 25.11.2020 – 6 C 7.19, BVerwGE 170, 345 []

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