Corona in NRW: Schließung der Gastronomie voraussichtlich rechtmäßig

Wir hatten hier schon mehrfach über Entscheidungen bezüglich der Beschränkungen durch die Coronaschutzverordnung des Landes NRW berichtet.

Nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bereits im April Eilanträge gegen Beschränkungen in der Gastronomie zurückgewiesen hatte, hat es nun auch hinsichtlich der seit dem 01.11.2020 geltenden Anordnung der Schließung von Gastronomiebetrieben in einem Eilverfahren entschieden, dass diese voraussichtlich rechtmäßig ist.

Eine Gastronomin hatte sich im Rahmen eines einsteiligen Anordnungsverfahrens gegen die Anordnung in § 14 Abs. CoronaSchVO NW gewandt, der lautet:

Der Betrieb von Restaurants, Gaststätten, Imbissen, Kneipen, Cafés und anderen gastronomischen Einrichtungen ist bis zum 30. November 2020 untersagt. Betriebskantinen und Mensen in Bildungseinrichtungen dürfen zur Versorgung der Beschäftigten bzw. der Nutzerinnen und Nutzer der Bildungseinrichtungen betrieben werden.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster ist die begehrte einstweilige Anordnung ist nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten (§ 47 Abs. 6 VwGO).

Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ist danach der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Norm zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist1.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster nicht dringend geboten, weil das Gericht bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung von offenen Erfolgsaussichten eines noch zu stellenden Normenkontrollantrags ausgeht, die deswegen anzustellende Folgenabwägung aber zu Lasten der Antragstellerin ausfällt.

Bei summarischer Prüfung erweist sich noch nicht als offensichtlich, dass § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage für die derzeit erneut (in § 14 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO) geregelten Betriebsverbote aufgrund der sich mit zunehmender Häufung intensivierenden Eingriffe in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG von vornherein nicht mehr in Betracht kommt. Zwar gewinnen die in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster bereits angesprochenen, zu Beginn der Pandemielage jedoch verworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG als Grundlage für allgemeine flächendeckende Betriebsverbote2 mit Fortdauer der Pandemielage und Wiederholung der verordneten Betriebsschließungen zunehmend Gewicht. Insoweit spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber auf Dauer besonders grundrechtsintensive flächendeckende Maßnahmen, wie etwa Untersagungen unternehmerischer Tätigkeiten, selbst tatbestandlich und auf Rechtsfolgenseite konkretisieren und möglicherweise auch eine Entscheidung über etwaige Entschädigungsleistungen (wie sie bereits im 12. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes für andere Sachverhalte normiert wurden) treffen muss (vgl. dazu nunmehr den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 03.11.20203, der in einem neuen § 28a IfSG für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite insbesondere Betriebsschließungen ausdrücklich vorsieht).

Allerdings ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass es im Rahmen unvorhergesehener Entwicklungen aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls geboten sein kann, nicht hinnehmbare gravierende Regelungslücken für einen Übergangszeitraum insbesondere auf der Grundlage von Generalklauseln zu schließen, um so auf schwerwiegende Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig reagieren zu können4.

Dass ein solcher Übergangszeitraum ‑ die grundsätzliche Notwendigkeit einer näheren (anvisierten) Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber unterstellt ‑ bereits abgelaufen ist, kann im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht als offensichtlich angenommen werden, sondern bedarf eingehender Prüfung in einem Hauptsacheverfahren5.

Die angegriffene Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO erweist sich im Übrigen als voraussichtlich rechtmäßig, so das Oberverwaltungsgericht Münster weiter.

Der mit der streitigen Maßnahme in erster Linie verbundene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und gegebenenfalls die von Art. 14 GG geschützte Eigentumsgarantie der Betreiber von gastronomischen Einrichtungen genüge bei summarischer Bewertung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und begründe auch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Das Betriebsverbot für Restaurants, Gaststätten, Imbisse, Kneipen, Cafés und andere gastronomische Einrichtungen dient dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen. Der Verordnungsgeber darf davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie angesichts der in jüngster Zeit erfolgten rapiden und flächendeckenden Zunahme der Zahl der nachweislich infizierten Personen eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung auch gebietet6.

Die gegenwärtige Situation ist durch ein exponentielles Ansteigen der Infektionszahlen gekennzeichnet. Die 7-Tage-Inzidenz liegt mit Stand vom 08.11.2020 für ganz Deutschland bei einem Wert von 136 und für Nordrhein-Westfalen nochmals deutlich darüber bei einem Wert von 165. Die berichteten R-Werte liegen derzeit bei 1,1 (4 Tage-R-Wert) und 1,01 (7-Tage-R-Wert). Gleichzeitig steigt mit der Zahl der Neuinfizierungen die Zahl der Corona-Patienten auch in den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern stark an. Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle hat sich bundesweit in den vergangenen drei Wochen von 618 Patienten am 13. Oktober 2020 auf 2.904 Patienten am 8. November 2020 mehr als vervierfacht. Dies lässt sich auch nicht mehr durch wenige einzelne Ursachen erklären. Vielmehr stellt sich das aktuelle Infektionsgeschehen sehr diffus dar7.

Die Krankenhäuser rechnen vor dem Hintergrund dieser Entwicklung schon bald mit einer Rekordzahl an Intensiv-Patienten. Nicht nur die Anzahl der zur Verfügung stehenden Intensivbetten (auch für nicht COVID-19-Patienten), sondern vor allem auch der Personal- bzw. Fachkräftemangel bereitet erhebliche Sorgen8.

Angesichts dessen sieht der Verordnungsgeber nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster zu Recht einen dringenden Handlungsbedarf. Ziel seiner Maßnahmen ist es, in dieser Situation durch eine allgemeine Reduzierung von Kontakten vor allem im Privaten und im Freizeit- und Unterhaltungsbereich bei gleichzeitiger Offenhaltung von Schulen und Kitas und weitgehender Schonung der Wirtschaft im Übrigen den exponentiellen Anstieg des Infektionsgeschehens bis auf eine wieder nachverfolgbare Größe von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche zu senken, um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden (vgl. dazu den Beschluss der Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 28. Oktober 20209, den der Antragsgegner seinem Verordnungserlass zugrunde gelegt hat)).

Zur Erreichung dieses Ziels dürfte die angefochtene Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein. Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu10.

Diesen hat der Verordnungsgeber nicht erkennbar überschritten – so das Oberverwaltungsgericht Münster.

Dass Maßnahmen zur Reduzierung von Kontakten im Privaten und im Freizeitbereich grundsätzlich geeignet sind, Infektionsrisiken zu reduzieren, ist angesichts des Hauptübertragungswegs, der respiratorischen Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen oder Niesen entstehen, nicht zweifelhaft. Das Betriebsverbot für Restaurants, Gaststätten, Imbisse, Kneipen, Cafés und andere gastronomische Einrichtungen trägt zur Kontaktreduzierung bei. In gastronomischen Einrichtungen, die in den Wintermonaten schwerpunktmäßig in geschlossenen Räumlichkeiten betrieben werden, kommt eine größere Zahl wechselnder Personen für einen längeren Zeitraum nicht nur zum Essen, sondern auch zum geselligen Beisammensein zusammen. Auch unter Beachtung der bereits bestehenden Hygienekonzepte und der aktuell geltenden zulässigen Gruppengrößen lässt sich eine Weiterverbreitung des Coronavirus in solchen Einrichtungen nicht ausschließen, da die Gäste jedenfalls während des Essens und Trinkens keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können und sich eine Verbreitung von potentiell virushaltigen Tröpfchen und Aerosolen in der Luft nicht verhindern lässt. Das Betriebsverbot für gastronomische Einrichtungen verhindert eine Übertragung des Coronavirus in diesen Lokalitäten. Auf diese Weise beugt es auch einem Eintrag der Infektion in das weitere berufliche und private Umfeld der Gäste vor, so das Oberverwaltungsgericht Münster.

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Betriebs ist zudem zu berücksichtigen, so das Oberverwaltungsgericht Münster weiter, dass bereits die Öffnung von gastronomischen Einrichtungen für den Publikumsverkehr zwangsläufig zu weiteren Sozialkontakten führt, indem Menschen sich, um zu den entsprechenden Einrichtungen zu gelangen, in der Öffentlichkeit bewegen und dort etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln aufeinandertreffen. Nicht zuletzt auch dieser Effekt soll nach dem Willen des Verordnungsgebers mit den insgesamt ergriffenen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung aus den oben beschriebenen Gründen deutlich reduziert werden.

Das Verbot dürfte nach Meinung des Oberverwaltungsgerichts Münster auch erforderlich sein. Dem Verordnungsgeber wird voraussichtlich nicht vorgehalten werden können, sich nicht für ein anderes, die Berufsfreiheit der Antragstellerin weniger beeinträchtigendes Regelungsmodell entschieden zu haben. Angesichts der Diffusität des Infektionsgeschehens und des Umstands, dass sich Infektionsketten größtenteils nicht mehr zurückverfolgen lassen11 kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg geltend machen, ein Betriebsverbot sei nicht erforderlich, weil sich gastronomische Einrichtungen nicht als Infektionstreiber erwiesen hätten.

Das Verbot dürfte sich auch als angemessen erweisen, so das Oberverwaltungsgericht Münster weiter. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können12.

Davon ausgehend ist die fragliche Regelung bei vorläufiger Bewertung nicht zu beanstanden, weil die Schwere der damit erneut verbundenen Grundrechtseingriffe voraussichtlich noch nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck steht. Das Betriebsverbot für gastronomische Einrichtungen greift in ganz erheblicher Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls auch das von der Eigentumsgarantie erfasste Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs. 1 GG) der davon betroffenen Betreiber ein. Infolge der im Frühjahr verordneten Schließung und der nachfolgend angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen dürften ‑ trotz der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen ‑ viele Betriebe mit ganz erheblichen wirtschaftlichen Einbußen konfrontiert sein. Die Umsatzausfälle des Monats November 2020 sollen jedoch durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen abgefedert werden. Das außerordentliche Wirtschaftshilfeprogramm des Bundes stellt hierfür insgesamt bis zu 10 Milliarden Euro bereit. Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten erhalten eine einmalige Kostenpauschale in Höhe von bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes von November 2019. Die Höhe errechnet sich aus dem durchschnittlichen wöchentlichen Umsatz des Vorjahresmonats, gezahlt wird sie für jede angeordnete Lockdown- Woche. Bei jungen Unternehmen, die nach November 2019 gegründet wurden, gelten die Umsätze von Oktober 2020 als Maßstab. Solo-Selbständige haben das Wahlrecht, als Bezugsrahmen für den Umsatz auch den durchschnittlichen Vorjahresumsatz 2019 zugrunde zu legen. Für größere Unternehmen gelten abweichende Prozentanteile vom Vorjahresumsatz. Die Höhe der Zuschüsse wird hier im Einzelnen anhand beihilferechtlicher Vorgaben ermittelt. Anderweitige Hilfen für den Zeitraum wie beispielsweise Kurzarbeitergeld oder Überbrückungshilfe werden vom Erstattungsbetrag abgezogen13.

Hinzu tritt die Überbrückungshilfe des Bundes (2. Phase). Die 2. Phase der Überbrückungshilfe ist ein branchenübergreifendes Zuschussprogramm mit einer Laufzeit von vier Monaten (September bis Dezember 2020), welches zum Ziel hat, Umsatzrückgänge während der Corona-Krise abzumildern. Die Förderung schließt nahtlos an die 1. Phase der Überbrückungshilfe mit dem Förderzeitraum Juni bis August 2020 an. Dabei werden die Zugangsbedingungen abgesenkt und die Förderung ausgeweitet. Das Hilfsprogramm unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen sowie Solo-Selbstständige und Freiberufler, die von den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung besonders stark betroffen sind, mit nicht-rückzahlbaren Zuschüssen zu den betrieblichen Fixkosten. Je nach Höhe der betrieblichen Fixkosten können Unternehmen für die vier Monate bis zu 200.000 Euro an Förderung erhalten14.

Von Seiten des Landes Nordrhein-Westfalen wurde das Bundesprogramm durch die NRW Überbrückungshilfe Plus ergänzt (1. Phase in den Fördermonaten Juni bis August 2020). Diese stellt zusätzliche Hilfen für Solo-Selbstständige, Freiberufler und im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit höchstens 50 Mitarbeitern in Nordrhein-Westfalen bereit. Berechtigte erhielten danach eine einmalige Zahlung in Höhe von 1.000 Euro pro Monat für maximal drei Monate. Das Programm wird für eine Laufzeit von weiteren vier Monaten (September bis Dezember 2020) fortgesetzt15.

Unabhängig von diesen umfangreichen Hilfsmaßnahmen sind nach Maßgabe von § 14 Abs. 2 CoronaSchVO die Belieferung mit Speisen und der Außer-Haus-Verkauf von Speisen weiterhin zulässig. Vor diesem Hintergrund dürften die mit der angefochtenen Regelung verbundenen Grundrechtseingriffe noch in einem vernünftigen Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten Zweck stehen, ganz erhebliche Gefahren für Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen im Falle einer unkontrollierten Infektionsausbreitung zu verhindern.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dürfte ebenfalls nicht vorliegen – so das Oberverwaltungsgericht Münster. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln16.

Er verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Diese bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind17.

Sachgründe können sich im vorliegenden Regelungszusammenhang aus dem infektionsrechtlichen Gefahrengrad der Tätigkeit, aber voraussichtlich auch aus ihrer Relevanz für das öffentliche Leben (etwa Schulen, Kitas, Bildungseinrichtungen, ÖPNV sowie die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen) ergeben18.

In Anwendung dieses Maßstabs drängt sich ein Gleichheitsverstoß des Verordnungsgebers nicht auf. Dieser durfte im Rahmen des von ihm verfolgten Regelungskonzepts voraussichtlich das gesellschaftliche Bedürfnis nach bestimmten, weiter zulässigen (Dienst-)Leistungen ebenso wie die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der in Betracht kommenden Maßnahmen in seine Entscheidung einfließen lassen, weite Teile des öffentlichen Lebens, in denen ebenfalls Menschen in geschlossenen Räumlichkeiten zusammentreffen, nicht zu schließen.

Die angesichts der offenen Erfolgsaussichten anzustellende Folgenabwägung ergibt nach Meinung des Oberverwaltunsgerichts Münster, dass die von der Antragstellerin dargelegten wirtschaftlichen Einbußen unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit des angefochtenen Verbots hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten müssen. Angesichts des eingangs beschriebenen rasanten Anstiegs der Zahl von Neuinfektionen und der vor diesem Hintergrund konkret zu befürchtenden Überlastung der (intensiv)medizinischen Behandlungskapazitäten fallen die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm schwerer ins Gewicht als die durch die vorbeschriebenen Hilfsprogramme abgemilderten wirtschaftlichen Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs.

Oberverwaltungsgericht Münste, Beschluss vom 09.11.2020 – 13 B 1656/20.NE
ECLI:DE:OVGNRW:2020:1109.13B1656.20NE.00

  1. BVerwG, Beschluss vom 16.09.2015 ‑ 4 VR 2.15 []
  2. OVG Münster, Beschlüsse vom 06.04.2020 – 13 B 398/20.NE; vom 23.06.2020 ‑ 13 B 695/20.NE []
  3. BT-Drs. 19/23944 []
  4. OVG Münster, Beschluss vom 06.042020 – 13 B 398/20.NE []
  5. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.10.2020 – 1 S 2871/20; Bayerischer VGH, Beschluss vom 16.09.2020 ‑ 20 NE 20.1994 []
  6. vgl. zu dieser Schutzpflicht BVerfG, Urteil vom 28.01.1992 – 1 BvR 1025/82 u.a. []
  7. vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19), Stand: 08.11.2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-08-de.pdf?__blob= publicationFile []
  8. https://www.ruhr24.de/nrw/corona-nrw-intensivstationen-krankenhaus-covid-19-patienten-intensivbetten-alarm-aerzte-90080033.html, Stand: 29. Oktober 2020; vgl. zur Entwicklung der Fallzahlen Tagesreport DIVI Intensivregister https://www.divi.de/joomlatools-files/docman-files/divi-intensivregister-tagesreports/DIVI-Intensivregister_Tagesreport_2020_11_05.pdf []
  9. abrufbar unter:https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/videokonferenz-der-bundeskanzlerin-mit-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-am-28-oktober-2020-1805248 []
  10. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010 – 1 BvR 1789/10; BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 – 8 C 6.15 []
  11. vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19), S. 2, Stand: 5. November 2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-05-de.pdf?__blob= publicationFile []
  12. st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 26.02.2020 ‑ 2 BvR 2347/15 []
  13. vgl. Übersicht über die Corona-Hilfen des Bundes, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020-10-29-neue-corona-hilfen.html, Stand: 05.11.2020 []
  14. vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/09/2020-09-18-PM-Corona-Ueberbrueckungshilfe-verlaengert.html, abgerufen am 05.11.2020 []
  15. vgl. Übersicht des Wirtschaftsministeriums über Überbrückungshilfe (2. Phase), https://www.wirtschaft.nrw/ueberbrueckungshilfe2, abgerufen am 05.11.2020 []
  16. vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.02.2012 – 1 BvL 14/07 []
  17. BVerfG, Beschluss vom 21.06.2011 – 1 BvR 2035/07 []
  18. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 14.05.2020 ‑ 13 MN 156/20 []

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