Eilantrag der AfD gegen Einstufung als Verdachtsfall II: jetzt doch Hängebeschluss

Wir hatten hier darüber berichtet, dass das Verwaltungsgericht Köln im Rahmen eines Eilverfahrens der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) keinen sog. Hängebeschluss erlassen hat, weil das BfV u.A. zugesagt hatte, bis zu einer Entscheidung über den Eilantrag nicht öffentlich bekanntzugeben, ob es die AfD als Verdachtsfall oder gesichert extremistische Bestrebung einstuft oder behandelt.

Die Beschwerde der AfD gegen den Beschluss blieb vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ohne Erfolg1.

Nun hat das Verwaltungsgericht Köln einem erneuten Antrag der AfD auf Erlass eines sog. Hängebeschlusses stattgegeben und dem BfV untersagt, bis zu einer Entscheidung über den von der AfD gestellten Eilantrag, die Partei als „Verdachtsfall“ einzustufen oder zu behandeln sowie eine Einstufung oder Behandlung als „Verdachtsfall“ erneut bekanntzugeben.

Hintergrund für dieses „umschwenken“ des Verwaltungsgerichts Köln ist folgender:

Am 03.03.2021 berichteten Medien bundesweit darüber, dass das BfV die AfD als „Verdachtsfall“ eingestuft habe.

Die Partei stellte daraufhin den erneuten Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses, dem das Verwaltungsgericht Köln nun stattgab.

Zur Begründung führte es aus, der Erlass einer Zwischenentscheidung sei nunmehr erforderlich. Dies gelte zunächst für die streitige Bekanntgabe der Einordnung als Verdachtsfall. Insofern werde in unvertretbarer Weise in die verfassungsrechtlich gewährleistete Chancengleichheit politischer Parteien eingegriffen, nachdem alles dafür spreche, dass sich das BfV nicht an seine Stillhaltezusagen gehalten bzw. nicht hinreichend dafür Sorge getragen habe, dass keine verfahrensrelevanten Informationen nach außen drängen.

Die Stillhaltezusage habe das Oberverwaltungsgericht Münster ausdrücklich dahingehend verstanden, dass nicht nur eine öffentliche Bekanntgabe etwa im Wege einer Pressemitteilung unterlassen werde, sondern jegliche in ihrer Wirkung gleichkommende Maßnahme der Information der Öffentlichkeit. Aufgrund der medialen Berichterstattung vom 03.03.2021 stehe für das Gericht fest, dass in einer dem BfV zurechenbaren Weise der Umstand der Einstufung der Antragstellerin als Verdachtsfall „durchgestochen“ worden sei. Das gelte in gleicher Weise für die 262-seitige Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 01.03.2021, die ebenfalls an die Presse durchgestochen worden sei. Diesem Schriftsatz lasse sich im Einzelnen entnehmen, was aus Sicht des BfV für die Einstufung der Antragstellerin als Verdachtsfall maßgeblich sei.

Das Verwaltungsgericht Köln habe im ersten Durchlauf die Notwendigkeit einer Zwischenregelung verneint, weil die Antragsgegnerin (das BfV) Stillhaltezusagen abgegeben habe, um eine dem Gewaltenteilungsgrundsatz sowie dem Respekt vor dem Gericht entsprechende Verfahrensweise zu ermöglichen. Diese Vertrauensgrundlage sei nunmehr zerstört. Für den Hängebeschluss bestehe auch ein Bedürfnis, obwohl die Einstufung als Verdachtsfall nunmehr in der Welt sei. Denn mit jeder Verlautbarung vertiefe sich der Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien.

Auch soweit der Antrag die Einordnung und Behandlung der Antragstellerin als Verdachtsfall betreffe, falle die erforderliche Folgenabwägung nunmehr zu Lasten des BfV aus. Zum einen könne angesichts des Umstands, dass Stillhaltezusagen bezogen auf die streitige Bekanntgabe teilweise nicht eingehalten worden seien, nicht mehr davon ausgegangen werden, dass zumindest im Hinblick auf die Einordnung und Behandlung die Einhaltung der entsprechenden Stillhaltezusagen sichergestellt sei. Zum anderen sei bereits dadurch, dass die Einordnung als Verdachtsfall öffentlich bekanntgeworden sei, derart tief in die Chancengleichheit der Parteien eingegriffen worden, dass eine weitere Beeinträchtigung derselben dadurch, dass Mitglieder der Antragstellerin mit nicht gänzlich unerheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssten, allein aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit nachrichtendienstlich überwacht zu werden oder von solchen Maßnahmen jedenfalls mittelbar betroffen zu sein, nicht hinnehmbar sei.

Das Verwaltungsgericht Köln führte in seinem Beschluss ferner aus, dass es für den Erlass eines Hängebeschlusses allein auf eine Folgenabwägung ankomme, nicht hingegen auf eine Prüfung des voraussichtlichen Erfolgs des Eilantrags.

Verwaltungsgericht Köln, Beschluss vom 05.03.2021 – 13 L 105/21

Anmerkung:

Zu solchen Entscheidungen kommt es, wenn sich Behörden nicht an Zusagen halten, die sie dem Gericht gegenüber abgegeben haben.

  1. OVG Münster, Beschluss vom 18.02.2021 – 5 B 163/21 []

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