Das Oberlandesgericht Köln hat in dem Hauptsacheverfahren der Dr. Frauke Petry gegen die Kölner Journalistenschule wegen des Onlineprojekts „Faktenzoom“ die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen.
Hintergrund des Rechtsstreits war das im zweiten Halbjahr 2016 von der Kölner Journalistenschule betriebene Projekt „Faktenzoom“. Darin wurden Äußerungen von Politikern in Talkshows auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht und als „wahr“, „überwiegend wahr“, „überwiegend falsch“ oder „falsch“ bewertet. Von 38 untersuchten Äußerungen der Klägerin bewerteten die Studenten der Journalistenschule 10 als „falsch“ oder „überwiegend falsch“ und kamen in der Gesamtbewertung zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die „Rangliste im negativen Sinne“ anführe.
Frau Dr. Frauke Petry hatte sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einzelne Bewertungen und die Gesamtbewertung gewehrt. Das Oberlandesgericht Köln hatte unter dem 29.11.2016 entschieden, dass es sich bei den Bewertungen der Journalistenschule grundsätzlich um Meinungsäußerungen handele, die im politischen Meinungskampf zulässig seien1. Zwei der Bewertungen beruhten aber auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage, weil die Klägerin die Äußerungen so nicht getätigt habe, und seien daher zu unterlassen1
Im nunmehr anhängigen Hauptsacheverfahren stritten die Parteien im Wesentlichen erneut über die Unterlassung der beiden Bewertungen sowie über die Frage, ob und wie die Journalistenschule die Öffentlichkeit über die gerichtlichen Entscheidungen zu informieren habe.
Das Oberlandesgericht Köln hat das angefochtene Urteil des Landgerichts Köln2 bestätigt. Danach sind die beiden Bewertungen auch künftig zu unterlassen, jedoch besteht kein Anspruch der Klägerin auf Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidungen durch die Journalistenschule.
Im Einzelnen hat das Oberlandesgericht Köln entschieden, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Veröffentlichung eines Unterlassungsurteils bestehen könne, dass aber im vorliegenden Fall bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht von einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung der Klägerin ausgegangen werden könne. Das Projekt „Faktenzoom“ mit den unzulässigen beiden Bewertungen sei nicht weiter veröffentlicht worden. Die Presseberichte über den negativen Spitzenplatz der Klägerin seien älteren Datums und/oder enthielten Hinweise auf die juristischen Auseinandersetzungen um das Portal. Darüber hinaus sei die öffentliche Meinung über die Klägerin maßgeblich durch deren Verhalten im Bundestagswahlkampf 2017 geprägt worden. Die Klägerin sei, nachdem sie den Bundestagswahlkampf als Spitzenkandidatin der AfD bestritten habe und für diese Partei in den Bundestag eingezogen sei, bereits am nächsten Tag aus der Fraktion und kurz darauf auch aus der Partei ausgetreten. Ein größerer Glaubwürdigkeitsverlust im Hinblick auf ihre Aussagen vor der Wahl – und damit im weitesten Sinne auch im Hinblick auf ihr Verhältnis zur „Wahrheit“ – sei aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten kaum denkbar. Demgegenüber spiele das Projekt der Journalistenschule, sofern es aktuell überhaupt noch in der öffentlichen Wahrnehmung verankert sei, keine maßgebliche Rolle mehr.
Die bereits im einstweiligen Rechtsschutz untersagten Bewertungen bleiben auch nach dem Ergebnis des Hauptsacheverfahrens unzulässig. Die Bewertungen legten Äußerungen der Klägerin zu Grunde, die diese so nicht getätigt hatte.
Das betrifft zum einen die von den Studenten als „falsch“ bewertete Aussage
„Die SPD fordert eine Obergrenze für Flüchtlinge“.
Tatsächlich hatte die Klägerin in der in Bezug genommenen Sendung „Maischberger“ vom 27.01.2016 gesagt:
„Die Obergrenze wird aus der SPD gefordert“,
wobei unstreitig zum damaligen Zeitpunkt mindestens ein SPD – Politiker eine solche Forderung aufgestellt hatte. Während die der Bewertung zu Grunde gelegte Äußerung den Eindruck erweckte, die Forderung nach einer Obergrenze entspreche der „Parteilinie“ der SPD, sei dies der tatsächlichen Äußerung der Klägerin auch nach dem Gesamtkontext der damaligen Sendung nicht zu entnehmen gewesen.
Zum anderen hätten die Studenten aus der Aussage der Klägerin:
„Aus der Türkei können immer noch Asylanträge in Deutschland gestellt werden“
einen unzutreffenden Tatsachenkern extrahiert und der Bewertung als „falsch“ zugrunde gelegt. Die Klägerin habe in der Talkshow „Maybritt Illner“ vom 13.03.2016 im Zusammenhang mit einer Diskussion über die Visafreiheit der Türkei erkennbar darauf abgestellt, dass es aus ihrer Sicht absurd wäre, Angehörigen eines Staates Visafreiheit zu gewähren, wenn ein Teil der Staatsangehörigen dieses Staates Anträge auf Asyl stellen würden. Demgegenüber hätten die Studenten unzutreffender Weise bei ihrer Bewertung als „falsch“ isoliert zu Grunde gelegt, von welchem Ort aus – Türkei oder Deutschland – türkische Staatsbürger Asyl beantragen können.
Da die beiden Bewertungen auch zukünftig zu unterlassen seien, sei auch die Berechnung der bisherigen Gesamtbewertung mit den entsprechenden prozentualen Angaben von „Falschaussagen“ zu unterlassen. Ob und wie das Projekt „Faktenzoom“ künftig fortgeführt werde, falle in die Meinungs- und Pressefreiheit der Journalistenschule. Es obliege insbesondere nicht den Gerichten, darüber zu entscheiden, welche Aussagen einzelner Politiker in die Bewertungen durch das Projekt einbezogen werden könnten bzw. müssten.
Die Revision wurde seitens des Oberlandesgerichts Köln nicht nicht zugelassen.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 19.04.2018 – 15 U 135/17
- Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 29.11.2016 – 15 W 46/16 [↩] [↩]
- LG Köln, Urteil vom 10.05.2017 – 28 O 37/17 [↩]