Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des 17. Deutschen Bundestages am 01.02.2013 zu den Ergebnissen einer Längsschnittstudie über die Lebenssituation Contergangeschädigter machte der Kläger als Sachverständiger in seiner Funktion als Mitglied des Stiftungsrates und Vorsitzender des Bundes der Contergangeschädigten und Grünenthalopfer e.V. u. A. folgende Äußerungen:
„30 Jahre lang schaute Grünenthal in der Conterganstiftung auf die medizinischen Akten der Betroffenen“ und
„30 Jahre lang hat Grünenthal die Gutachter der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung bezahlt„
Im Anschluss an die Ausschusssitzung verfasste der Beklagte, der bis Ende 2009 Vorsitzender der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung und ab Ende 2009 Mitglied im Vorstand der Stiftung war, auf dem Briefkopf des Vorstands der Conterganstiftung einen Brief an alle Mitglieder des Bundestagsausschusses, in dem er u.a. die fraglichen Aussagen des Klägers als unwahr bezeichnete.
Das Oberlandesgericht Köln hat nun entschieden, dass der Beklagte diese Äußerungen des Klägers nicht weiter als unwahr bezeichnen darf.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Zeitraum von 1972 bis 2003 der Leiter der Rechtsabteilung der Grünenthal GmbH, der das Unternehmen nach seinem Ausscheiden auch weiter als Rechtsanwalt vertrat, in Personalunion auch Vorsitzender der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung war und in dieser Eigenschaft Zugriff auf medizinische Akten der Betroffenen hatte, bevor diese an die Sachverständigen übersandt wurden. Ein weiterer Mitarbeiter der Firma Grünenthal arbeitete in diesem Zusammenhang dem Rechtsanwalt zu. Unstreitig ist ebenfalls, dass die Finanzierung der Arbeit der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung jedenfalls teilweise über einen Pauschalbetrag abgesichert wurde, den die Firma Grünenthal an die Conterganstiftung überwies.
Der Beklagte hatte argumentiert, dass es umfassende Vorkehrungen in der Art einer „Chinese wall“ gegeben habe, um trotz der Doppelrolle des Leiters der Rechtsabteilung und des Mitarbeiters einen Informationsfluss an die Firma Grünenthal zu verhindern. Die Gutachter der Medizinischen Kommission seien stets aus Mitteln der Conterganstiftung bezahlt worden. Der Brief an die Mitglieder des Bundestagsausschusses sei in diesem Zusammenhang eine zulässige Meinungsäußerung gewesen.
Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass der Beklagte die Äußerungen, die er gegenüber dem Bundestagsausschuss gemacht hat, zukünftig unterlassen muss. Die Äußerungen des Klägers seien auf Grundlage des unstreitigen Tatsachenvortrags wahr. Die Ausschussmitglieder hätten die Äußerungen so verstehen müssen, dass Mitarbeiter von Grünenthal die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der medizinischen Akten gehabt hätten und dass die Arbeit der Medizinischen Kommission – unmittelbar oder mittelbar – von der Firma Grünenthal finanziert worden sei. Diese Aussagen seien aber unstreitig wahr, die entgegengesetzten Äußerungen des Beklagten damit unwahr. Die Äußerungen des Beklagten seien auch nicht als Meinungsäußerungen zu bewerten. Kern der Äußerung des Beklagten sei die dem Wahrheitsbeweis zugängliche Frage, ob der Kläger in der Ausschusssitzung etwas Unwahres behauptet habe.
Einen ebenfalls vom Kläger verfolgten Anspruch auf Richtigstellung gegenüber den Mitgliedern des Bundestagsausschusses hat das Oberlandesgericht Köln abgewiesen. Der Kläger habe mit der Klageeinreichung über drei Jahre und bis über das Ende der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hinaus gewartet. Die Mitglieder des Ausschusses des 17. Deutschen Bundestages könnten wegen des Grundsatzes der Diskontinuität in dieser Eigenschaft mit entsprechenden Gesetzesvorhaben nicht mehr befasst werden, eine Richtigstellung ihnen gegenüber sei nicht mehr geboten.
Mit der Entscheidung hat das Oberlandesgericht Köln ein Urteil des Landgerichts Bonn1 teilweise bestätigt. Das Landgericht Bonn hatte den Beklagten nur zur Unterlassung der Äußerung betreffend die medizinischen Akten verurteilt und darüber hinaus einen Richtigstellungsanspruch angenommen.
Das Oberlandesgericht Köln hat die Revision nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch sonst kein Zulassungsgrund vorliegt.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 12.04.2018 – 15 U 85/17
- LG Bonn, Urteil vom 10.05.2017 – 13 O 136/16 [↩]