Früher gab es Briefmarken, die man irgendwann gekauft hat und wiederum irgendwann auf einen Brief oder eine Postkarte geklebt hat. Über eine „Gültigkeit“ machte man sich erst dann Gedanken, wenn das Porto stieg und man daher zusätzliche Briefmarken kaufen musste, die den Differenzbetrag ausmachten.
Heute kann man Briefmarken online kaufen und den Code ausdrucken. Oder man kauft sie über eine App. Dann kann man den dort angegebenen Code auf den Umschlag schreiben. Einfach eigentlich.
Nur: Die Deutsche Post, die das anbietet, baute in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein, dass der abgerufene Code nur 14 Tage gültig ist. Danach galt der Code nicht mehr und das Geld war weg.
Das Oberlandesgericht Köln hat dieser Praxis nun in zweiter Instanz einen Riegel vorgeschoben und die Klausel für unwirksam erklärt.
Aber im Einzelnen:
Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass die entsprechende Befristung Käufer unangemessen benachteiligt und insoweit unwirksam ist.
Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder und 28 weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Die Beklagte bietet Beförderungsleistungen für Briefe und Pakete an. Für Briefe und Postkarten offeriert sie Verbrauchern als Nachweis für die Zahlung des Beförderungsentgelts eine sogenannte Mobile Briefmarke, auch „Portocode“ genannt.
Kauf und Zahlung dieser mobilen Briefmarke erfolgen durch die Verbraucher über eine Smartphone-App. Nach der Bestellung und Bezahlung wird diesen in der App der achtstellige Porto-Code zur Frankierung angezeigt, damit sie ihn handschriftlich auf der Briefsendung oder der Postkarte anbringen können. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Onlinehandel der Beklagten heißt es, die Mobile Briefmarke sei lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Weiterhin ist darin Folgendes niedergelegt:
„Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. Das maßgebliche Kaufdatum ist in der Auftragsbestätigung genannt. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen.“
Auf die Gültigkeitsdauer weist die Beklagte die Verbraucher bereits vor dem Erwerb der mobilen Briefmarke hin.
Der Kläger sieht in der Regelung einen Verstoß gegen die Regelung des § 307 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und macht insoweit einen Unterlassungs- sowie Aufwendungsersatzanspruch geltend. Die Beklagte vertritt im Kern die Auffassung, die Regelungen unterlägen nicht der Inhaltskontrolle nach der vorbezeichneten Vorschrift, zudem werde der Verbraucher nicht einseitig benachteiligt, sondern durch ein besonders einfach zu handhabendes Produkt begünstigt. Jede Ausdehnung der Gültigkeitsdauer bedeute im Übrigen eine deutliche Zunahme an notwendigen Zeichen, was der einfachen Handhabbarkeit des Produktes zuwiderliefe. Zudem sei die zeitliche Begrenzung der Gültigkeit des Codes angesichts der hohen Anzahl an Verkäufen bei der „mobilen Marke“ und der begrenzten Anzahl an Zeichen zur Sicherung des Produkts und zur Vermeidung von Missbrauch erforderlich.
Das Landgericht Köln hat der Klage mit Urteil vom 20.10.20221 vollumfänglich stattgegeben.
Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hin hat das Oberlandesgericht Köln diese Entscheidung nun bestätigt.
Die Entscheidung:
Das Landgericht Köln sei, so das Oberlandesgericht Köln, zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die in Rede stehenden Regelungen als AGB unwirksam sind. Sie seien nicht von einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ausgenommen. Bei dem Erwerb der „mobilen Briefmarke“ handele es sich im Übrigen um einen Kaufvertrag und nicht, wie von der Beklagten angenommen, bereits um einen konkreten Frachtvertrag, so dass sich die Verjährungsfrist nach § 195 BGB bestimme und drei Jahre betrage.
Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehöre das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. Im Falle einer temporalen Verfallfrist – wie hier – werde in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingegriffen, weil der Verwendungsgegner zwar den Preis für die Leistung bezahlt habe, ihm die Gegenleistung aber nur befristet zustehen solle und zeitlich über die Verjährungsregelungen hinaus beschränkt werde. Solche Verfallklauseln seien daher an der Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu messen, wobei der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB eine Leitbildfunktion zukomme. Zwar sei nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene Benachteiligung des Kunden anzusehen. Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren (vgl. § 195 BGB a.F.) auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) habe der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit hätten sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht. Vorliegend habe das Landgericht Köln (auch) zutreffend in den Blick genommen, dass es sich um eine erhebliche zeitliche Beschränkung des Erfüllungsanspruchs handele. Denn durch die Beschränkung der Gültigkeit auf 14 Tage werde der Erfüllungsanspruch auf etwa 1% der gesetzlich vorgesehenen Verjährungsfrist verkürzt. Höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen der Beklagten, die der Bewertung entgegenstünden, seien hier nicht ersichtlich. Zwar halte das Oberlandesgericht Köln es für ein nachvollziehbares Interesse, den Code auf eine praktikable und einfach zu handhabende Länge zu beschränken. Es bestehe aber keine Notwendigkeit, die Gültigkeit der Codes auf 14 Tage zu begrenzen.
An der unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher ändere sich auch nichts dadurch, dass die Möglichkeit bestehe, die Bestellung einer Briefmarke binnen 14 Tagen kostenlos zu stornieren oder zu widerrufen. Vorliegend fehle es bereits an der erforderlichen Wechselbeziehung zwischen der kurzen Gültigkeitsdauer und dem eingeräumten Stornierungsrecht, weil Verbrauchern bei jedem Fernabsatzvertrag ein 14-tägiges Widerrufsrecht von Gesetzes wegen zustehe.
Die Unangemessenheit der angegriffenen Klausel folge zudem daraus, dass bei Nichtnutzung der „mobilen Briefmarke“ innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten folge.
Die Revision zum Bundesgerichtshof hat das Oberlandesgericht Köln nicht zugelassen.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 13.06.2023 – 3 U 148/22
- LG Köln, Urteil vom 20.10.2022 – 33 O 258/21 [↩]