Darf die Polizei einem Fußballverein Mitteilung darüber machen, dass gegen einen potentiellen Krawallmacher ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde?
Das Verwaltungsgericht Köln sagt „Nein“.
Das Verwaltungsgericht Köln hat in dem konkreten Fall festgestellt, dass die Mitteilung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger durch das Polizeipräsidium Köln an den 1. FC Köln rechtswidrig war.
Was war passiert?
Im Januar 2014 hatte das Polizeipräsidium Köln dem Kläger ein Aufenthaltsverbot für den Bereich des Rhein-Energie-Stadions sowie weitere Teile des Kölner Stadtgebiets aus Anlass eines Fußballspiels des 1. FC Köln gegen Austria Wien erteilt. Bereits im Jahr 2013 hatte das Polizeipräsidium Köln dem 1. FC Köln telefonisch mitgeteilt, es sei ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Fußballanhängern des 1. FC Köln und des damaligen Gastvereins eingeleitet worden. Der 1. FC Köln hatte daraufhin ein privatrechtliches bundesweites Stadionverbot ausgesprochen, das nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens wieder aufgehoben worden war.
Gegen diese beiden Maßnahmen wendete sich der Kläger. Er hat geltend gemacht, die der Gefahrenprognose des Aufenthaltsverbots zugrunde gelegte Tatsachengrundlage sei nicht zutreffend. Für die Weitergabe der genannten Information an den 1. FC Köln verbunden mit der Anregung eines Stadionverbots gebe es keine Rechtsgrundlage.
Der Kläger wendete sich daher im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen ein bereits abgelaufenes Aufenthalts- und Betretungsverbot.
Die Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht Köln gab ihm Recht.
Nachdem das Polizeipräsidium auf gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung erklärt hatte, dass das Aufenthaltsverbot rechtswidrig war, ist das Verfahren insoweit eingestellt worden. Im Übrigen hat das Gericht der Klage stattgegeben.
Die telefonische Datenübermittlung der Polizei an den 1. FC Köln sei rechtswidrig gewesen. Die Polizei habe seinerzeit zwar aus ihrem Blickwinkel ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft, die Herrin des Verfahrens sei, habe aber den Antrag auf Strafverfolgung zurückgewiesen und die Einleitung von Ermittlungen abgelehnt, weil es bereits an einem Anfangsverdacht für Straftaten fehle. Die der Mitteilung an den 1. FC Köln unausgesprochen zugrundeliegende Annahme, dass die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens tatsächlich vorlägen, treffe daher nicht zu. Diese Mitteilung, die Grundlage für ein mögliches Stadionverbot sein , sei mithin fehlerhaft gewesen.
Die Mitteilung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger an die Firma 1. FC Köln GmbH & Co. KG aA ist nämlich rechtswidrig gewesen.
Als Rechtsgrundlage für eine derartige Datenübermittlung kommt § 29 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW in Betracht. Danach kann die Polizei von sich aus personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit dies zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer Person erforderlich ist. Die Meldung von Gewalttaten im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Fußballspielen bzw. der Einleitung entsprechender Ermittlungsverfahren an die entsprechenden Fußballvereine soll dazu dienen, Maßnahmen zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung ergreifen zu können und zwar durch den Erlass von örtlichen oder bundesweiten Stadionverboten entsprechend der Richtlinien des DFB. Dies ist den Vereinen nur möglich, wenn die Sicherheitsbehörden ihnen Erkenntnisse über einzelne gewalttätige Fans mitteilen1.
Allerdings muss die Datenübermittlung zutreffend sein, weil sie nur dann ihren Zweck erfüllen kann, den Ligaverein in die Lage zu versetzen, die Erteilung eines Stadionverbotes zu prüfen2.
Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Der genaue Wortlaut der Mitteilung des Beklagten an den 1. FC Köln ist nicht bekannt, weil die Mitteilung ausschließlich telefonisch erfolgt ist. Klar ist jedenfalls, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger bekannt gegeben worden ist. Inhaltlich ist insbesondere auf der Grundlage der vom Beklagten vorgelegten Unterlage „Anregung bundesweit wirksamer Stadionverbote“ mit Erstellungsdatum 06.05.2013 im Hinblick auf den dort niedergelegten Kurzsachverhalt davon auszugehen, dass sinngemäß vom Verdacht gewaltsamer Drittortauseinandersetzungen zwischen Anhängern des 1. FC Köln und der Gästemannschaft die Rede gewesen ist.
Diese Mitteilung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens war jedoch aus rechtlicher Sicht fehlerhaft.
Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens liegt vor, wenn Staatsanwaltschaft (§ 160 StPO) Polizei (§ 163 StPO) Maßnahmen treffen, die erkennbar darauf abzielen, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen.
Dabei ist Voraussetzung gem. § 152 Abs. 2 StPO ein hinreichender Anfangsverdacht.
Vorliegend ging jedenfalls die Polizei ersichtlich von einem derartigen Anfangsverdacht bezüglich eines Landfriedensbruchs und einer gefährlichen Körperverletzung aus und führte auch Ermittlungsmaßnahmen durch (es wurden telefonisch Zeugen befragt und Überwachungskameras ausgewertet).
Dagegen bewertete die Staatsanwaltschaft die Sache völlig anders: „Zurückweisung des Antrags auf Strafverfolgung (Einstellung). Die Einleitung von Ermittlungen wird abgelehnt aus tatsächlichen Gründen (§ 152 Abs. 2 StPO). Dem Akteninhalt lässt sich an keiner Stelle ein wie auch immer individualisierbarer Tatvorwurf entnehmen. Alle Beschuldigten sind – soweit überhaupt ersichtlich – allein in zeitlicher und örtlicher Nähe zu einem durch nichts näher konkretisierbaren Tatgeschehen aufgegriffen worden, ohne dass Erkenntnisse zum „Ob“ oder „Wie“ ihrer Tatbeteiligung auch nur ansatzweise vorlägen….“
Rechtlich maßgeblich ist die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft, da sie Herrin des Verfahrens ist. Wenn diese so dezidiert von der genannten Auffassung ausgeht –den Verfahrensbeteiligten ist dies auch so mitteilt worden- ist nicht relevant, ob der Polizei Umstände bekannt sind oder sich möglicherweise der Strafakte entnehmen lassen, die vielleicht doch einen Anfangsverdacht hätten begründen können (im Schlussvermerk aber nicht angesprochen werden).
Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von Fällen, in denen trotz Einstellung eines Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO immer noch die Frage zu prüfen ist, ob bzgl. einer Straftat zumindest noch ein Restverdacht besteht.
Davon ausgehend ist die Mitteilung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens letztlich fehlerhaft. Denn einer derartigen Mitteilung liegt sowohl auf Seiten des Absenders als auch auf Seiten des Empfängers unausgesprochen die Annahme zugrunde, dass die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens tatsächlich vorliegen. Denn die Mitteilung soll gerade Grundlage für die Entscheidung über ein Stadionverbot sein, wobei dies hier von der Polizei sogar ausdrücklich empfohlen wurde.
Da diese Voraussetzung aus der –maßgeblichen- Sicht der Staatsanwaltschaft jedoch nicht vorlag, war die Datenübermittlung rechtswidrig.
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 28.04.2016 – 20 K 583/14
- VG Düsseldorf, Urteil vom 10.01.2011 – 18 K 3229/10; VG Leipzig, Urteil vom 26.10.2015 – 3 K 1271/14 [↩]
- VG Düsseldorf, Urteil vom 10.01.2011 – 18 K 3229/10 [↩]