Jeder – zumindest jeder Kölner – kennt die Volksbühne, das ehemalige Volkstheater Millowitsch.
Seit 2015 erweiterte der neue Betreiber das Angebot von einer seinerzeit genehmigten Theaternutzung hin zu einem Austragungsort für ganzjährige Konzerte, Kabarettdarbietungen und Seminare.
Zum Bedauern vieler Kölner hat das Verwaltungsgericht Köln nun auf die Klage eines Nachbarn, der sich durch den Lärm gestört fühlte, entschieden, dass die für diese Nutzungsänderung erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist.
Diese Entscheidung führte natürlich sogleich zu empörten Kommentaren.
Warum diese Entscheidung?
In der Tat ist das Ergebnis sehr bedauerlich, jedoch muss man auch die Hintergründe berücksichtigen:
Für die Nutzungsänderung der Volksbühne für Konzerte etc. war eine Baugenehmigung erforderlich. Diese beantragte die Volksbühne jedoch erst, nachdem sie die neue Nutzung bereits aufgenommen hatte. Erteilt wurde die Genehmigung im Jahr 2018.
Kurz zuvor war indes bereits dem Nachbarn eine Baugenehmigung für seine unmittelbar an den Veranstaltungssaal angrenzende Wohnung erteilt worden.
Der Nachbar fühlte sich durch Lärm von Veranstaltungen unzumutbar beeinträchtigt und erhob Klage. Die Volksbühne erhob ihrerseits Klage gegen die dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung. Zur Begründung machte sie geltend, die Nutzung der Räume des Nachbarn zu Wohnzwecken beeinträchtige die Nutzungsmöglichkeiten des Veranstaltungssaals, die in ihrem Bestand geschützt seien.
Das Verwaltungsgericht Köln hat der Klage des Nachbarn stattgegeben, die Klage der Volksbühne hingegen abgewiesen.
Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht Köln aus, die der Volksbühne erteilte Baugenehmigung stelle nicht hinreichend sicher, dass in der Wohnung des Nachbarn die Orientierungswerte der Freizeitlärmrichtlinie NRW eingehalten würden. Dies verstoße zu Lasten des Nachbarn gegen das rechtliche Gebot der Rücksichtnahme.
Der Nachbar sei auch schutzwürdig. Die ihm zu Wohnzwecken erteilte Baugenehmigung sei nicht auf die Klage der Volksbühne hin aufzuheben. Denn die Nutzung der Volksbühne sei im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung an den Nachbarn selbst nicht schutzwürdig gewesen, weil die im Jahr 2015 aufgenommene neue Nutzung bis zur Erteilung der Baugenehmigung an den Nachbarn weder von einer Baugenehmigung gedeckt noch bestandsgeschützt oder genehmigungsfähig gewesen sei.
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 05.05.2022 – 8 K 2582/22
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 05.05.2022 – 8 K 5568/19
Die Volksbühne kann beim Oberverwaltungsgericht Münster einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.
Anmerkung:
Die Entscheidung ist im Ergebnis bedauerlich, erscheint jedoch folgerichtig (die genauen Entscheidungsgründe sind uns bislang allerdings nicht bekannt). Warum die Baugenehmigung für die Volksbühne erst so spät erfolgte, wissen wir nicht. Insbesondere ist uns auch nicht bekannt, ob der Antrag vielleicht erst so (zu) spät gestellt wurde.