Zwar nicht Köln, aber immerhin in unserem Bundesland – wobei man selten so eine schlechte Begründung liest:
Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass die Anklage der Staatsanwaltschaft Münster gegen den Betreiber einer Kükenbrüterei in Senden nicht zur Hauptverhandlung zugelassen wird.
Das Oberlandesgericht Hamm hat damit die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Münster, der die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm beigetreten ist, gegen den Beschluss des Landgerichts Münster vom 07.03.20161 als unbegründet verworfen.
Das Landgericht Münster habe, so das Oberlandesgericht Hamm, die Eröffnung der Hauptverhandlung mit zutreffenden Gründen abgelehnt.
Das Oberlandesgericht Hamm hat darauf hingewiesen, dass das infrage stehende Töten junger Küken den Straftatbestand nach § 17 Nr. 1 TierSchG (Tierschutzgesetz) nicht erfülle. Bei der Auslegung dieser Vorschrift sei auch zu berücksichtigen, dass Verordnungen des Rates der Europäischen Union detaillierte Regelungen über das technische Verfahren zur Tötung von männlichen Eintagsküken nach dem Schlupf enthielten. Beim Erlass dieser Verordnungen sei der Verordnungsgeber denknotwendig davon ausgegangen, dass das Töten von männlichen Eintagsküken spezieller Legerassen nach dem Schlupf aus wirtschaftlichen Gründen bzw. zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile generell zulässig sei. Andernfalls wären die Verordnungen überhaupt nicht veranlasst oder erforderlich gewesen.
Außerdem seien die jüngsten Bestrebungen und Gesetzesvorhaben zur Änderung des Tierschutzgesetzes zu berücksichtigen, mit denen das Ziel verfolgt werde, die Praxis des routinemäßigen Tötens von männlichen Eintagsküken zu beenden2. Die angestrebte Änderung des Tierschutzgesetzes wäre denknotwendig nicht erforderlich, wenn das Töten von männlichen Eintagsküken aus wirtschaftlichen Gründen bzw. zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile bereits nach der derzeit geltenden Gesetzeslage strafbar wäre. Insoweit solle es nach den Materialien zu diesem Gesetzesvorhaben erst ʺkünftigʺ verboten sein, ein Tier allein zur Vermeidung von wirtschaftlichen Nachteilen zu töten. Zur Begründung werde unter anderem ausgeführt, dass der im Allgemeinbewusstsein weiterentwickelte Tierschutzgedanke dazu führen könne, dass früher kritiklos hingenommene Nutzungsarten und Umgangsformen heute nicht mehr als vernünftig bzw. rechtfertigend gelten würden, wenn sie aufgrund geänderter ethischer Einstellungen mit den gegenwärtigen Wertvorstellungen zur Mensch-Tier-Beziehung nicht mehr im Einklang stünden.
Die Änderung der ethischen Einstellung und der Wertvorstellungen der Bevölkerung zu der Beziehung zwischen Mensch und Tier könnten aber nicht ohne weiteres dazu führen, dass die jahrelang angewandte und aus Sicht der Behörden stets geduldete Praxis des Tötens von männlichen Eintagsküken zur Vermeidung von wirtschaftlichen Nachteilen nunmehr ohne ein gesetzgeberisches Tätigwerden strafbar sein solle. Das sei mit dem im Grundgesetz verankerten Bestimmtheitsgebot nicht zu vereinbaren, wonach eine Tat nur dann bestraft werden könne, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Für eine Auslegung des Tierschutzgesetzes nach der das infrage stehende Töten männlicher Eintagsküken strafbar sein solle, bedürfe es daher aus Sicht des Senats zuvor einer (klarstellenden) gesetzgeberischen Entscheidung.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10.05.2016 – 4 Ws 113/16
- LG Münster, Beschluss vom 07.03.2016 – 2 KLs 7/15 [↩]
- die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Antrag im Bundestag vorgelegt: BT-Drs. 18/7878 [↩]